Porträt Luzernerzeitung

Anja Marquardt liebt ihren Beruf. Es ist einer, der schon länger dem Tode geweiht ist. Doch obwohl Pelz bei vielen Menschen ein Unding ist, kann sie sich nicht über ein leeres Auftragsbuch beklagen.

Quelle: Luzernerzeitung vom 06.09.2024 & in allen Regionalausgaben von CH-Media


Porträt lesen

Anja Marquardt in ihrem Atelier

Porträt von Caroline Mohnke, Luzernerzeitung vom 06.09.2024

Die einzige Kürschnermeisterin der Schweiz

 

Anja Marquardt liebt ihren Beruf. Es ist einer, der schon länger zum Tode geweiht ist: Sie ist Kürschnerin. Obwohl Pelz bei vielen Menschen ein Unding ist, kann sie sich nicht über ein leeres Auftragsbuch beklagen. 

 

Caroline Mohnke

 

«Ich hätte mir auch den Kochberuf vorstellen können», lacht Anja Marquardt in ihrem Atelier in Meggen. Doch ihre Mutter habe gesagt, wenn sie nicht gerne Zwiebeln esse, sei das nichts. «Ich bin mit zwei Geschwistern in einem 120-Seelendorf in Deutschland aufgewachsen wo sich Fuchs und Hase gute Nacht sagen», erzählt sie. In Fischbach habe es keinen Lebensmittelladen gegeben, dafür ein Schloss mit Baron. 

 

Selbstversorger

Der Vater war Metzger, machte Hausschlachtungen und war im Kaninchenzuchtverein, der Onkel und Cousin hatten Bauernhöfe. «Wir waren Selbstversorger». So war Anja Marquardt schon als kleines Mädchen um Felle herum, dass Hasen geschlachtet wurden, gehörte zum Alltag auf dem Land. Mit zwölf Jahren verbrachte sie die Mittwochnachmittage beim Fellnähkurs. «Obwohl ich das Schulfach Handarbeit abgewählt habe», lacht sie herzhaft. Sie sei handwerklich nicht begabt gewesen. Man glaubt es kaum, wenn man sich in ihrem Atelier umschaut. Doch stricken könne sie heute noch nicht. «Aus einem Hasenfell fertigte ich in Handarbeit einen kleinen Hasen und war sehr stolz auf mein Werk», blickt sie zurück an die Zeit. 

 

«Lebendige Häutung ist ein Mythos»

Anja Marquardt trägt gerne Pelz. Ihr Lammfell Cape ist ihr Gesellenstück, das sie mit achtzehn Jahren angefertigt hat. Auch den Nerzmantel von der Zeit der Meisterprüfung hat sie noch. Angepöbelt werde sie selten. Doch es komme vor. «Sobald etwas noch Haare hat, wird es verteufelt». Sie denke an Lederschuhe. Das werde toleriert. Früher sei der Kürschner Beruf weit verbreitet gewesen. «Ende der 80-er Jahre kamen die ersten Pelz Kampagnen, von da an gab es immer weniger Kürschner erzählt sie und fügt an: «Lebendige Häutung ist ein Mythos, denn da wäre das Fell voller Blutflecken und unbrauchbar». Anja Marquardt bezieht ihre Felle aus Deutschland. Fellhändler seien rar geworden. Felle aus Asien kämen für sie nicht in Frage. Das Bundesamt für Veterinärwesen klopfe regelmässig an die Tür und schaue, dass alles sauber deklariert sei. 

 

                                                              


Einstiger Männerberuf

«Früher war Kürschner ein reiner Männerberuf», sagt die 48-jährige Mutter von zwei erwachsenen Kindern. Männer habe man als Kürschner bezeichnet, Frauen als Pelznäherin. «Meine Handgelenke wurden schon zweimal operiert». Der Beruf brauche Kraft. Das ständige am Leder ziehen sei nicht ohne. Eine besondere Augenweide in ihrem Atelier ist die Nähmaschine aus dem Jahre 1928. «Für diese Maschine brauche ich keinen Strom, nur meine Hände und den Fuss fürs Fusspedal» sagt sie und fügt lächelnd an: „Bei Stromausfall könnte ich mit Kerzenlicht weiterarbeiten». Arbeit hat sie genug. An den Kleiderständern hängen Pelzmäntel und Jacken, soweit das Auge reicht: fein säuberlich beschriftet bis zum Monat April. «Wenn heute eine Kundin oder Kunde mit einem Auftrag kommt, wird es Januar bis zur Auslieferung. Anja Marquardt macht Änderungen aber auch Neuanfertigungen. Ihr Kundenstamm ist breitgefächert. «Vom Jäger aus dem Entlebuch bis zur Ferienhausbesitzerin in Gstaad ist alles dabei». In der Schweiz werden im Jahr rund 22`000 Rotfüchse geschossen. Davon würden 5`000-6`000 verarbeitet, der Rest lande im Abfall. Anja Marquardt bedauert diese Tatsache: «Ein Kleidungsstück aus Pelz gehört zu den Nachhaltigsten», sagt sie und fügt an: «Würden die Füchse nicht geschossen, stünden hier vor dem Fenster viele Füchse».

 

                                                     


Vom Schlüsselanhänger bis zum Zobelmantel 

Pelzliebhaber haben bei Anja Marquardt eine grosse Auswahl: Im unteren Preissegment bekommt man einen Schlüsselanhänger für fünfzehn Franken. Wer tiefer in die Tasche greifen kann und will, hat auch die Möglichkeit sich einen Zobelmantel anfertigen zu lassen für sechzigtausend Franken. „An einem solchen Mantel arbeite ich rund hundert Stunden».  Zobel gilt als teuerster Pelz der Welt. Anja Marquardt liebt ihr traditionelles Handwerk. Ihr Beruf gehört zu den ältesten. Auf die Frage wie es für sie weitergehe, wenn die Pelz Initiative angenommen würde, antwortet sie: «Schweizer Kaninchen und Schweizer Rotfuchs dürfte ich weiterhin verarbeiten. Ich würde wohl mehr Änderungsarbeiten machen. Kürzlich kam eine Kundin mit zehn Pelzmänteln vorbei und hatte Änderungswünsche». 


Hinweis

Mehr Informationen zur Arbeit von Anja Marquardt finden Sie unter www.pelzatelier.ch

Pelzatelier Marquardt bei Instagram

Entdecken Sie aktuelle Highlights und verpassen Sie keine Angebote und Neuigkeiten mehr. Jetzt entdecken!

Logo Instagram